Im März 2021 hat die EU mit der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) die erste Phase für die Transformation des Finanzmarkts eingeleitet: Seitdem müssen Finanzmarktteilnehmer*innen, zum Beispiel Banken oder Fondsverwalter*innen, ESG-Informationen offenlegen, um ihre Produkte in unterschiedliche Nachhaltigkeitskategorien einzuteilen. Die EU-Kommission möchte hiermit Greenwashing bei der Vermarktung von Finanzprodukten vermeiden. Dazu werden sie in drei Kategorien eingeteilt: Von Artikel 6 (keine Nachhaltigkeitsbezüge) über Artikel 8 („hellgrüne“ Stufe) bis zu Artikel 9, der „grünsten“ Stufe: Diese Produkte erlauben ausschließlich nachhaltige Investitionen.
Artikel 6 |
Artikel 8 | Artikel 9 |
Keine Integration von Nachhaltigkeit in Investmentprozesse z. B. Unternehmen im Bereich Tabak, Rüstung oder fossile Energien. | Teilweise Integration von Nachhaltigkeit in Investmentprozesse z. B. Unternehmen mit ökologischen/sozialen Merkmalen. | Ausschließliche Integration von Nachhaltigkeit in Investmentprozesse z. B. im Bereich der Erneuerbaren Energie und Klimaschutz oder des Impact Investing. |
Muss explizit erklärt werden. | Darf beworben und muss im Jahresbericht offengelegt werden. | Muss als Ziel definiert werden und Impacts müssen belegt werden. |
– | Stufe „Hellgrün“ | Stufe „Dunkelgrün“ |
Druck auf Fondsgesellschaften steigt
Fondsgesellschaften stehen zunehmend unter Druck, möglichst viele Fonds nach Artikel 8 oder Artikel 9 anzubieten. Ein Anstieg ist bereits zu beobachten: In der EU sind derzeit etwa ein Drittel der Fonds nach Artikel 8 oder höher klassifiziert – die Anzahl der Artikel-9-konformen Fonds ist aber noch gering. Neben dem regulatorischen Push treiben auch demografische Veränderungen die Nachfrage an: Die nachhaltigkeitsbewussten Millennials halten heute zwar nur etwa fünf Prozent des weltweiten Vermögens, aber sie kommen in die besten Einkommensjahre und werden in den nächsten fünf bis zehn Jahren ein gigantisches Vermögen von schätzungsweise 30 Billionen Dollar erben (eine gute Analyse dazu gibt es hier).
Nachhaltige Anlageberatung noch in Kinderschuhen
Um diese jüngeren Zielgruppen zu erreichen, müssen Family Offices, Portfoliomanager*innen und Anlageberater*innen verstärkt ESG-Investments ansprechen und aktivieren. Hinzu kommt: Die neuen Vertriebsregulierungen nach MiFID II verlangen die Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen und Anlagezielen der Kund*innen. Viele Finanzakteur*innen werden damit jedoch noch überfordert sein – sowohl was die dahinterliegenden Definitionen der Artikel 8 und 9 betrifft als auch mit Blick auf das Zusammenspiel zwischen finanziellen und nicht-finanziellen Anlagezielen. Denn wenn es darum geht, konkrete ESG-Impacts zu erheben, zu belegen und dies an ihre Anleger*innen zu kommunizieren, stehen die meisten Fondsgesellschaften noch am Anfang. Das wundert kaum, denn die Bewertung der Nachhaltigkeitsimpacts ist eine komplexe Aufgabe. Der Großteil der Beteiligten fängt gerade erst an, sich mit den notwendigen Daten und Systemen zu befassen. Erschwerend kommt hinzu, dass die anzuwendenden technischen Standards (Regulatory Technical Standards – RTS) aufgrund der Verzögerungen der EU bestenfalls im Entwurfsstadium Anwendung finden oder man die SFDR rein prinzipienbasiert umsetzt.
Nachhaltigkeitsfonds – von der Nische zum Mainstream
Angesichts des zunehmenden Transformationsdrucks seitens des Gesetzgebers und von Anleger*innen sind wir überzeugt: 2022 wird das Jahr, in dem Nachhaltigkeitsfonds endgültig aus der Nische treten. Dabei müssen sich Finanzmarktakteur*innen darauf einstellen, dass auch kritische Stakeholder*innen und Aufsichtsbehörden verstärkt auf den Plan gerufen werden, um die Glaubwürdigkeit der Angaben zu überprüfen. Bisher ist die Messbarkeit der Impacts in Qualität und Quantität noch ungenügend. Die GLS Bank übte kürzlich Kritik am zunehmenden „Impact-Washing“ und veröffentlichte hierzu Leitlinien zur Darstellung von Impact im Bereich wirkungsorientierter Investments. Die Bekämpfung von Greenwashing und Förderung der Transparenz ist auch eines der drei Hauptmerkmale der im Februar 2022 von der ESMA veröffentlichten Sustainable Finance Roadmap der EU 2022-2024.
Das Rad muss nicht neu erfunden werden
Um zukunftsfähig zu bleiben, sollten Finanzakteur*innen sich mit diesen Entwicklungen intensiv auseinandersetzen. Ob Privatanleger*innen, institutionelle Investor*innen, Family Offices, Portfoliomanager*innen, Anlageberater*innen – sie alle müssen in den kommenden Jahren verstärkt Expertise im Bereich Nachhaltigkeit entwickeln, um robuste Daten für die Offenlegung zu erheben und „Impact-Washing“ zu vermeiden. Das mag auf den ersten Blick überfordernd wirken – doch die Finanzwirtschaft muss dafür das Rad nicht komplett neu erfinden. Unternehmen anderer Branchen, die beim Thema ESG-Daten und Impactbewertungen mehrere Jahre Vorsprung haben, können hilfreiche Benchmarks liefern.
Wir helfen dabei, diese komplexen Dynamiken zu navigieren: für mehr Glaubwürdigkeit, Transparenz und nachhaltigen Unternehmenserfolg. Sprechen Sie uns an.