Im April 2017 ist das CSR-Richtlinien-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) in Kraft getreten. Seither müssen vom Gesetz betroffene Unternehmen Informationen zu Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen, zur Achtung der Menschenrechte und zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung offenlegen. Welche Erfahrungen haben diese Unternehmen in der ersten Berichtssaison gemacht? Und wie beurteilen die Stakeholder die nichtfinanzielle Berichterstattung?
Diesen Fragen geht eine Studie zu „Anspruch und Wirklichkeit der nichtfinanziellen Berichterstattung“ nach, die die Wirtschaftsprüfergesellschaft Ebner Stolz gemeinsam mit der Transformationsberatung Stakeholder Reporting durchgeführt hat. Für die Studie wurden 174 Berichte aus allen Börsensegmenten untersucht und zudem rund 500 Expert*innen aus Wissenschaft, Kapitalmarkt, NGOs und Politik zu ihren Erwartungen befragt. Sie ist eine der ersten Analysen, die sich praxisnah mit den tatsächlichen Akteur*innen der gesetzlichen CSR-Berichterstattung – den berichtenden Unternehmen und den Berichtsadressaten – beschäftigt.
Nachholbedarf beim Thema Menschenrechte
Der Informationsbedarf der Stakeholder ist hoch. Für die befragten Expert*innen ist die Berichterstattung über Umweltbelange und die Achtung von Menschenrechten von besonderem Interesse, gefolgt von Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung. Doch nur rund 47 Prozent der Unternehmen haben in ihrem ersten Berichtsjahr alle zu berichtenden Aspekte eindeutig berücksichtigt; nicht immer waren die Aspekte klar benannt oder definiert. Insbesondere mit den Themen Menschenrechte und Sozialbelange tun sich die Unternehmen schwer.
Wesentlichkeit: Darstellung des Prozesses gefordert
Für die Auswahl der Berichtsthemen gilt der Wesentlichkeitsgrundsatz: Unternehmen müssen zu jedem Aspekt nur solche Sachverhalte darlegen, die für das das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage des Unternehmens sowie der Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die genannten Aspekte erforderlich sind. Das Gros der Stakeholder wünscht sich eine Beschreibung, wie die Unternehmen die für sie wesentlichen Sachverhalte ermitteln. Immerhin 58 Prozent der untersuchten Berichte stellen diesen Wesentlichkeitsprozess dar. Bei 28 Prozent der untersuchten Berichte fehlen diese Informationen jedoch.
Inside-out vor Outside-in
Die Mehrheit der befragten Stakeholder (65 Prozent) erwartet eine stärkere „Inside-out Berichterstattung“: Diese stellt die Auswirkung der Geschäftstätigkeit auf nichtfinanzielle Aspekte wie Umwelt und Arbeitnehmer*innen dar –im Gegensatz zu einer Outside-In-Berichterstattung, die sich auf die Auswirkungen der nichtfinanziellen Aspekte auf die Geschäftstätigkeit fokussiert. 78 Prozent der Befragten wünschten sich sogar eine Quantifizierung dieser Auswirkungen.
Leistungsindikatoren, Ziele und Risikodefinition: Lücke zwischen Erwartungen und Realität
Grundsätzlich messen 75 Prozent der befragten Stakeholder klaren Leistungsindikatoren eine hohe oder sogar sehr hohe Bedeutung bei. Rund 50 Prozent der Unternehmen haben bereits steuerungsrelevante Leistungsindikatoren im Sinne des DRS 20 benannt. Anders sieht es bei der Definition von Zielen aus: Nur 18 Prozent der Unternehmen formulieren hinreichend konkrete Ziele. 41 Prozent der Unternehmen machen gar keine Angaben zu ihrer nichtfinanziellen Zielsetzung.
Vor allem bei den Unternehmen unterhalb des DAX-Segments besteht hier Handlungsbedarf. Auch das Risikomanagement ist noch einmal kritisch zu überprüfen: Mehr als 75 Prozent der befragten Stakeholder wünschen sich, dass nichtfinanzielle Risiken in das Risikomanagement aufgenommen werden; 64 Prozent erwarten eine Risikoberichterstattung für jeden nichtfinanziellen Aspekt. Demgegenüber gab über die Hälfte der Unternehmen an, dass keine wesentlichen Risiken im Sinne des CSR-RUG bestehen – auch nicht in der eigenen Lieferkette und der Lieferkette von Subunternehmer*innen.
Wie wird berichtet? Standards, Formate und Prüfung
Die Mehrheit der untersuchten Berichte orientiert sich an Rahmenwerken wie dem der Global Reporting Initiative (GRI). Damit kommen die Unternehmen den Erwartungen der Stakeholder nach vergleichbaren Berichtsstandards nach. Zugleich sprechen sich mehr als 80 Prozent der Stakeholder für eine weitergehende Standardisierung der nichtfinanziellen Berichterstattung durch den Gesetzgeber aus, etwa zur Ermittlung bestimmter nichtfinanzieller Risiken.
Hinsichtlich des Formats der Berichterstattung ist noch keine klare Präferenz erkennbar: 26 Prozent der Unternehmen integrieren die nichtfinanzielle Erklärung in den Lagebericht des Geschäftsberichts; 74 Prozent haben sich hingegen für eine Darstellung außerhalb des Lageberichts entschieden. Dies ermöglicht ihnen, eine stärkere Zukunftsperspektive einzunehmen oder sogar ein eigenständiges Format zu schaffen. Auch die Stakeholder sind in dieser Frage gespalten: 35 Prozent der befragten Stakeholder bevorzugen eine integrierte Darstellung im Lagebericht, die übrigen halten andere Formate für besser geeignet, etwa den Nachhaltigkeitsbericht oder einen eigenständigen nichtfinanziellen Bericht.
Eine Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung muss grundsätzlich durch den Aufsichtsrat erfolgen; die Prüfung durch einen Abschlussprüfer ist rechtlich freiwillig. Zwei Drittel der befragten Stakeholder sind jedoch dafür, dass die Prüfung künftig verpflichtend durch eine*n Abschlussprüfer*in erfolgen sollte; mehrheitlich (64 Prozent) sogar im Rahmen einer vollumfänglichen Prüfung. Hier liegen Anspruch und Wirklichkeit noch stark auseinander, denn nur 52 Prozent der Unternehmen haben in der ersten Berichtssaison eine externe Prüfung durchführen lassen, davon 93 Prozent im Rahmen einer prüferischen Durchsicht („limited assurance“).
Fazit
Die Studie zeigt: Nicht alle kapitalmarktorientierten Unternehmen waren ausreichend auf die erste Berichtssaison vorbereitet. Sie werden dem Thema in Zukunft mehr Aufmerksamkeit und Ressourcen widmen müssen. Spätestens mit dem CSR-RUG ist klar: Nachhaltigkeit ist ein Thema für die CFO-Agenda – und zwar von der Unternehmenssteuerung über das Risiko-Management bis hin zur Kapitalmarkt-Kommunikation und Berichterstattung. Aber auch Gesetzgeber und Standardorganisationen sind aufgefordert, eine weitere Konkretisierung und Standardisierung vorzunehmen, um den Ansprüchen der Stakeholder gerecht zu werden.
Eine Zusammenfassung der Studienergebnisse können Sie hier herunterladen.