Klimaschutz

Net Zero: null Emissionen für vollen Klimaschutz

Emissionsreduktion ohne Kompromisse – und ohne Kompensationsmaßnahmen
24. November 2021
Klimaschutz

Neben der Europäischen Union (EU) und Deutschland setzen sich mittlerweile auch immer mehr Unternehmen, darunter etwa Bayer AG, Beiersdorf AG, Deutsche Telekom AG, Deutsche Post DHL Group, HeidelbergCement AG und RWE AG, sogenannte Net-Zero-Ziele, meist bis 2050. Dieser zeitliche Horizont hängt mit dem vom Weltklimarat (IPCC) formulierten Ziel zusammen, die Erderwärmung bis zum Jahr 2100 gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter auf 1,5°C zu begrenzen – und ab 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Aber was genau heißt Net Zero und welche Implikationen sind damit verbunden?

Was bedeutet Net Zero?

Wenn die Netto-Treibhausgasemissionen (CO2e = CO2-Äquivalente) eines Unternehmens oder eines Staats in einem definierten Zeitraum null betragen, spricht man von Net Zero. Um dies zu erreichen, sollte ein Unternehmen seine mit dem Geschäftsbetrieb einhergehenden Emissionen komplett oder zumindest so weit als möglich reduzieren. In vielen Fällen ist das physisch jedoch nicht realisierbar. Deshalb sind Unternehmen dazu angehalten, alle Treibhausgasemissionen unwirksam zu machen, die nicht eliminiert werden können. Der Fachbegriff für das „Unwirksammachen“ lautet CO2-Sequestrierung – und meint einerseits die Entnahme des CO2 aus der Atmosphäre und andererseits seine dauerhafte Einlagerung in unterirdischen Lagerstätten.

Wie können Unternehmen Net Zero erreichen?

Um einen Net Zero-Zustand herzustellen, muss ein Unternehmen zunächst alle Emissionen, die es reduzieren kann, komplett auf null verringern. Hierfür kann es unter anderem seine Fahrzeugflotte auf alternative Antriebe umstellen, die Gebäude energetisch sanieren, veraltete Maschinen und überholtes Equipment austauschen oder den eigenen Strombedarf vollständig auf erneuerbare Energie umstellen.

Weitere wirksame Hebel sind: Die Home-Office-Quote zu erhöhen, nicht notwendige Geschäftsreisen zu vermeiden und Klimaziele in der eigenen Lieferkette zu befördern sowie Lieferanten mit geringeren Emissionen oder eigenen Net-Zero-Zielen auszuwählen. All dies setzt voraus, dass das Unternehmen einen guten Überblick über die eigenen Treibhausgasemissionen und jene entlang seiner Wertschöpfungskette hat. Identifizieren und berechnen lassen sie sich z. B. im Rahmen einer Klimastrategie.

Wichtig für das Erreichen von Net Zero ist, dass die aufgestellte Treibhausgasbilanz mit global anerkannten Standards übereinstimmt – etwa mit dem des Greenhouse Gas Protocol. Auch darf sie keine unsachgemäßen Abzüge oder Gutschriften enthalten; beispielsweise ist es nicht erlaubt, „Avoided emissions“ (vermiedene Emissionen) gegenzurechnen. Bei diesem Ansatz werden die (höheren) Emissionsreduktionen eines klimafreundlicheren Produkts oder Prozesses, die sich gegenüber einem anderen, weniger emissionssparenden Produkt oder Herstellungsprozess ergeben, von den tatsächlich entstandenen Emissionen abgezogen. Auch nicht berücksichtigt bei Net Zero werden Kompensationsmaßnahmen wie der Erwerb von CO2-Zertifikaten aus Klimaschutzprojekten. Jedoch eignen sich Kompensationsmaßnamen im Rahmen einer Klimastrategie für den Übergang zu einem Net-Zero-Ziel.

Demgegenüber ist die CO2-Sequestrierung auf dem Weg zu einer Netto-Null-Welt fest vorgesehen. Allerdings befinden sich diese Technik und die dafür global benötigten Kapazitäten noch im Aufbau. Als Hoffnungsschimmer gilt u. a. ein 2021 gestartetes Projekt des isländischen Energieversorgers Reykjavik Energy, bei dem CO2 in Basaltboden eingeleitet und innerhalb von 48 Monaten in Kalkstein umgewandelt wird. Ab 2030 soll die jährliche Einlagerungskapazität 3 Millionen Tonnen CO2 betragen.

Wer mit dem Gedanken spielt sich anerkannte Net-Zero-Ziele zu setzen, findet dazu seit Kurzem bei der Science-based Targets Initiative (SBTi) den ersten Standard.

Abgrenzung zu anderen Begrifflichkeiten: Klimaneutralität, CO2-Neutralität, CO2-positive Bilanz

  • Klimaneutralität bezeichnet folgenden Zustand: In der Natur vorhandene, sogenannte CO2e-Senken (beispielsweise Wälder oder Moore) speichern verursachte Treibhausgasemissionen (CO2e) und gleichen diese somit aus. Der Begriff wird zuweilen weiter gefasst und über die Kohlenstoffspeicherung hinaus auf noch mehr Themen angewendet, die Auswirkungen auf das Klima haben – etwa die Verunreinigung von Boden und Gewässern, Rohstoffverbräuche oder Biodiversität. Zurzeit erarbeitet die Internationale Organisation für Normung (ISO) einen eigenen Standard zum Thema Klimaneutralität, ISO 14068. Aus Unternehmenssicht unterscheidet sich der Status der Klimaneutralität insbesondere dadurch von Net Zero, dass bei seiner Erreichung auch Kompensationsmaßnahmen erlaubt sind.
  • CO2-Neutralität steht für den Ausgleich von CO2-Emissionen durch Kompensationsmaßnahmen (beispielsweise CO2-Zertifikate aus Klimaschutzprojekten). Anders als bei Net Zero und der Klimaneutralität wird nur der Kohlenstoffdioxid-Ausstoß berücksichtigt. CO2-Neutralität unterscheidet sich, ebenso wie die vorher beschriebene Klimaneutralität, auch dadurch von Net Zero, da Emissionen ausgeglichen werden können.
  • CO2-positive Bilanz bedeutet: Eine Organisation, zum Beispiel ein Unternehmen, will bis zu einem gewählten Zieljahr mehr CO2 aus der Atmosphäre entnehmen und ausgleichen als es verursacht. Dieser Ansatz unterscheidet sich von Netto-Null einerseits durch den alleinigen Fokus auf Kohlenstoffdioxid – und andererseits durch das Ziel, nicht nur die eigenen Emissionen auszugleichen, sondern noch weiteres CO2 aus der Atmosphäre zu entnehmen.

Laut Oliver Geden, einem der Autoren des sechsten Sachstandsberichts des IPCC, gibt es bis zu 30 Begriffe, die die Reduktion von Emissionen thematisieren. Das bringt eine unklare Sachlage mit sich. Diese erschwert wiederum die Diskussion des Themas und führt dazu, dass sich die jeweiligen Emissionsbilanzen nicht gut oder gar nicht miteinander vergleichen lassen.

Wir empfehlen Unternehmen, sich auf den Net-Zero-Begriff und die zugrundeliegenden Anforderungen zu konzentrieren. So werden alle Treibhausgase adressiert und der Fokus liegt klar auf der Emissionsreduktion. Zudem dürften die Net-Zero-Ziele aufgrund der Bedeutung der SBTi zum wichtigsten Standard für Klimaziele werden.

Das Team von Stakeholder Reporting unterstützt Organisationen und Unternehmen bei der Ausarbeitung von Klimastrategien, berät bei Fragen rund um den neuen Net-Zero-Standard der SBTi und hilft zu den weiteren Details rund um Netto-Null-Emissionen.