Nachhaltige Lieferkette

Lieferkettengesetz und KMU

Handlungsoptionen für eine wirkungsvolle und partnerschaftliche Umsetzung des LkSG
6. Februar 2024 Von Anna Zimmermann
Nachhaltige Lieferkette

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verpflichtet Unternehmen, entlang ihrer Lieferkette und innerhalb ihres eigenen Geschäftsbereichs die Rechte der Menschen zu schützen, die weltweit für den deutschen Markt produzieren. Während es ab Januar 2023 für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden galt, betrifft es seit Januar 2024 auch Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten. Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) fallen also prinzipiell nicht in den Anwendungsbereich des Lieferkettengesetzes.

In der aktuellen Anwendung des LkSG kann es KMU mit weniger als 1.000 Mitarbeitenden allerdings doch direkt betreffen: beispielsweise wenn große Unternehmen ihre Zulieferer, darunter KMU, auffordern, sich in Form von Fragebögen, Selbstauskünften oder eines Verhaltenskodex (Code of Conduct) an der Prüfpflicht zu beteiligen. Diese Weitergabe der Sorgfaltspflichten an Lieferanten ist allerdings nicht unproblematisch – sowohl für die vom LkSG betroffenen großen Unternehmen als auch für ihre kleineren Zulieferer.

In diesem Artikel betrachten wir deswegen die folgenden Fragen: Welche Herausforderungen können sich in diesem Zusammenhang zwischen Auftraggebern und Lieferanten konkret ergeben? Und wie können KMU mit den Anforderungen umgehen? Wir zeigen, dass die konsequente Anwendung des LkSG für Betroffene und Beteiligte von Nutzen sein kann, der vor allem auf einem partnerschaftlichen Zusammenspiel informierter Akteure beruhen sollte.

Nutzen transparenter Lieferketten

Die Auseinandersetzung mit der eigenen Lieferkette ist für Unternehmen weit mehr als eine Compliance-Übung. Laut KfW ist dies „nicht nur moralisch richtig“, auch Investor*innen und Kund*innen fordern zunehmend verantwortungsvolles Handeln von Unternehmen ein.[1] Zudem zeigten Krisen wie die COVID-19-Pandemie oder der Krieg in der Ukraine, wie wichtig widerstandsfähige Lieferketten für die eigene Geschäftstätigkeit sein können.[2] Lieferkettentransparenz ist dabei entscheidend, da Unternehmen so potenzielle Risiken und ihre Auswirkungen frühzeitig erkennen und damit auch proaktiv angehen können. Das World Economic Forum schätzt sogar, dass nachhaltige Beschaffungspraktiken in Lieferketten langfristig die Kosten um bis zu 16 % senken können.[3]

Das LkSG soll in diesem Zusammenhang ein Instrument sein, mit dem alle Betroffenen und Beteiligten von den Vorteilen transparenter Lieferketten profitieren. Die Weitergabe der LkSG-Anforderungen von großen Unternehmen an KMU steht dem allerdings in Teilen entgegen.

Übertragung von Sorgfaltspflichten nicht zulässig

Wenn große Unternehmen Verpflichtungen zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten an ihre Lieferanten – und damit auch an KMU – weitergeben, geschieht das im Wesentlichen in Form eines Lieferantenkodex (Supplier Code of Conduct). Dessen Einhaltung muss ein Lieferant zusichern, um die Geschäftsbeziehung einzugehen. Der Lieferantenkodex kann auch in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) aufgenommen werden. Damit ist vertraglich oftmals alleinig der Lieferant für die Einhaltung der Menschenrechtsstandards in der Lieferkette verantwortlich.

Dies steht jedoch im Widerspruch zum Gesetzestext des LkSG: Er umfasst keine expliziten Anforderungen oder Aufgaben für unmittelbare Zulieferer. Letztere werden zwar im Zusammenhang damit erwähnt, wie große Unternehmen ihnen gegenüber Präventionsmaßnahmen (d. h. Kontrollmechanismen oder Schulungen, z. B. zum Code of Conduct) gestalten und vertraglich regeln sollten. Eine unmittelbare Rechtspflicht dafür, dass gesetzlich nicht betroffene Unternehmen mitwirken, ergibt sich aus dem LkSG aber nicht.

Handreichungen der verantwortlichen Behörde BAFA, die den Gesetzestext nachschärfen, machen ebenfalls deutlich, dass große Unternehmen ihre Pflichten nicht komplett auf KMU übertragen dürfen. Pauschale schriftliche Zusicherungen, dass KMU sämtliche Sorgfaltspflichten einhalten, sind ebenfalls nicht zulässig. In diesen Fällen verhalten sie sich nicht LkSG-konform und müssen mit Kontrollmaßnahmen des BAFA rechnen.

Laut BAFA sind KMU ebenfalls nicht dazu verpflichtet, automatisch eine eigene Risikoanalyse durchzuführen oder selbst zu prüfen, welche Präventions- und Abhilfemaßnahmen sie durchführen sollten. Daneben müssen sie kein eigenes Beschwerdeverfahren einrichten und keine Berichte an das BAFA übermitteln oder daran mitwirken.

 

Kontrollmechanismen greifen nicht und Betroffene geraten aus dem Blickfeld

Aufgrund der Gesetzeslage und ihrer Auslegung haben KMU selbst in keinem Fall mit Zwangsmaßnahmen oder Sanktionen durch das BAFA zu rechnen. Trotzdem sind sie finanziellen Risiken ausgesetzt, wenn große Unternehmen Vertragsstrafen bei Verstößen weitergeben. Ein besonders hohes Kostenrisiko für KMU ergibt sich durch Freistellungsklauseln innerhalb der Verträge: Es kann vorkommen, dass KMU oder deren Vorlieferanten gegen menschenrechtsbezogene oder umweltbezogene Pflichten verstoßen und dem großen Unternehmen dadurch Kosten, Schäden oder Aufwendungen entstehen. Durch Freistellungsklauseln sind die KMU dazu verpflichtet, die großen Unternehmen gänzlich freizustellen und dementsprechend selbst zu haften. In der Praxis hat dies besondere Bedeutung, wenn das große Unternehmen eigentlich Bußgelder aufgrund von Verstößen gegen das LkSG zahlen müsste.

Vertragliche Bedingungen wie diese stellen allerdings keine angemessene Präventionsmaßnahme für den Schutz von Mensch und Umwelt im Sinne des Gesetzes dar. Eine Vertragsstrafe und entsprechende Entschädigungen würden nur dem jeweiligen großen Unternehmen zugutekommen und nicht Betroffenen entlang der Lieferketten – deren Schutz eigentlich im Vordergrund steht. Dieser Ansatz nimmt also nicht in den Blick, wie sich Risiken und Verletzungen von Mensch und Umwelt tatsächlich verhindern oder reduzieren lassen. Nötig wäre ein Umdenken in der Vertragsgestaltung hin zu einem partnerschaftlichen Ansatz.

Ein partnerschaftlicher Lösungsansatz als Antwort

Der Schutz von Umwelt und Mensch kann nur erzielt werden, wenn alle Akteure zusammenspielen. So geben es auch zwei grundlegende Rahmenwerke, die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sowie die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, vor. Gemeinsame Verantwortung und vereinte Bemühungen sollten sich in Vertragsbestandteilen widerspiegeln. Maßnahmen müssen im Schulterschluss ergriffen werden, um nachteilige Auswirkungen zu erkennen, zu verhindern und zu beheben.[4] Zu dieser geteilten Verantwortung zählt auch, Kosten angemessen zu teilen, damit die Kapazitäten der Zulieferer und das Verhältnis zur Vertragsbeziehung berücksichtigt werden können. Zudem sollten Unternehmen ihre Lieferanten durch Einkaufspraktiken unterstützen (zum Beispiel durch verantwortungsvolle Preisgestaltung).

Vor diesem Hintergrund kann die Teilnahme an Brancheninitiativen für alle Unternehmen, insbesondere KMU, Synergien schaffen. Vor allem bei strukturellen Missständen in einem Sektor können gebündeltes Wissen und geteilte Ressourcen einen sinnvollen Beitrag zur Umsetzung des LkSG leisten. In der Textilbranche haben sich branchenweite Beschwerdemechanismen wie Fair Wear oder amfori Speak for Change als mögliche Lösungen etabliert.

Konkrete Handlungsoptionen für KMU

Die Einhaltung von Anforderungen an die unternehmerische Sorgfaltspflicht ist für viele Lieferanten kein Neuland, sondern deckt sich oft mit bereits bestehendem Engagement, wie einer Selbstverpflichtung zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt. Welche konkreten Schritte können KMU nun unternehmen, um dieses Engagement wirkungsvoll auszubauen – das heißt langfristige und effektive Präventions- und Kontrollmechanismen zu etablieren, die tatsächlich die Rechte von Betroffenen schützen?

  • Interner Wissensaufbau: Wer die Risiken im eigenen Geschäftsbereich sowie bei Zulieferern kennt und somit gegenüber Kunden eventuell über einen Wissensvorsprung verfügt, kann die eigene Sprechfähigkeit erhöhen und sich als Partner für nachhaltige Lösungen positionieren. Antworten auf die folgenden Leitfragen können als erste Orientierungshilfe dienen:

 

 

  • Möglichkeiten der Prozessstandardisierung nutzen: Instrumente wie Managementsysteme und Prozessbeschreibungen helfen dabei sicherzustellen, dass nötige Verfahren bestehen und Informationen dazu vorhanden sind bzw. Schritte dafür eingeleitet werden, z. B. der Aufbau eines tragfähigen Lieferantenmanagementsystems.
  • Bewertungsplattformen, Zertifizierungen, Brancheninitiativen: Unternehmen können an Bewertungsplattformen z. B. Ecovadis, Zertifizierungen oder Brancheninitiativen teilnehmen. Mit diesen Maßnahmen bauen sie intern proaktiv die entsprechenden Strukturen und Kapazitäten auf und liefern einen hilfreichen Ausganspunkt bei der Erfüllung der Anforderungen von Großkunden.

 

 

Ausblick – der europäische Rahmen

Ein weiterer Vorteil dieser Schritte: Die jetzige Auseinandersetzung mit den Anforderungen des LkSG an die Sorgfaltspflichten dient als gute Vorbereitung für die kommende verpflichtende EU-Gesetzgebung.

Mit einer genauen, rechtskonformen Beschreibung von internen Prozessen, Strategien und Fortschritten können Unternehmen die kommenden EU-weiten Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) erfüllen. Hinzu kommt, dass die geplante EU-Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD),[5] über die derzeit auch in Deutschland politisch noch gestritten wird, den Geltungsrahmen auf wesentlich mehr Unternehmen erweitern würde. Die Regelung soll unter anderem die Position der Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen vor Gericht verbessern und für einheitliche Vorgaben für EU-Unternehmen sorgen. Die CSDDD wird daher nicht nur von Expert*innen, sondern auch von zahlreichen Unternehmen begrüßt. Gemäß CSDDD wären künftig Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden und 150 Mio. Euro Umsatz betroffen (in Branchen mit hohem Schadenspotenzial, z. B. Textil, liegt die Schwelle bei 250 Mitarbeitenden und 40 Mio. Euro Umsatz). Es lohnt sich also, schon jetzt mit Prozessen zu starten, die für LkSG und CSDDD nutzbar sind bzw. sein werden.

Bei der Umsetzung dieser Schritte unterstützen unsere Expert*innen Sie gerne.

Mit Unterstützung der juristischen Expertise von Tristan Krause (Law, Mazars) und des LkSG-Fachwissens von Leonie Dossou (Consulting, Stakeholder Reporting, part of Mazars).

 

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz im Überblick:

Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verpflichtet Unternehmen zum Schutz von Umwelt und Menschenrechten innerhalb ihres eigenen Geschäftsbereichs und entlang der Lieferketten. Betroffen sind seit 2023 Organisationen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden und seit Anfang 2024 solche mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Die gesetzlich festgelegten Sorgfaltspflichten umfassen die Etablierung eines Risikomanagements, die Risikoanalyse möglicher Menschrechtsverletzungen und Umweltschäden sowie die Implementierung geeigneter Präventions- und Abhilfemaßnahmen. Darüber hinaus müssen die Unternehmen einen Beschwerdemechanismus einrichten, der entlang der gesamten Lieferkette zugänglich ist. Die Einhaltung der Sorgfaltspflichten ist zudem in einem jährlichen Bericht zu dokumentieren und an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zu übermitteln.

 

 

[1] https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Unternehmen/Innovation-und-Digitalisierung/Logistik/Lieferkettengesetz/#:~:text=Doch%20auch%20unabh%C3%A4ngig%20von%20der,von%20Nachhaltigkeitskriterien%E2%80%9C%2C%20sagt%20Hermann

[2] https://resources.ecovadis.com/de/whitepaper/sustainable-procurement-barometer-2021-6

[3] https://www3.weforum.org/docs/WEFUSA_BeyondSupplyChains_Report2015.pdf

[4] § 7 Abs. 2 Nr. 1 LkSG führt auch explizit „die gemeinsame Erarbeitung und Umsetzung eines Plans zur Beendigung oder Minimierung der Verletzung mit dem Unternehmen, durch das die Verletzung verursacht wird“ auf.

[5] Die Kabinettsitzung zur deutschen Position sowie die Abstimmung im EU-Rat sind zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags noch ausstehend.