Die jüngsten gesetzlichen Anforderungen im Bereich unternehmerische Verantwortung sind – vor allem mit Blick auf Nachhaltigkeit in der Lieferkette – komplex und vielfältig. Dabei besteht an vielen Stellen wenig Transparenz. So gibt es häufig weder Hinweise zu konkreten Maßnahmen noch eine Handlungsorientierung, um diese umzusetzen. Wie können Unternehmen und Lieferanten den Anforderungen dennoch gerecht werden? Vor dieser Herausforderung stehen viele unserer Kund*innen – kürzlich speziell ein Unternehmen aus der Textilindustrie. Gemeinsam mit diesem größeren, langjährigen Kunden haben wir eine Lösung erarbeitet: Ein umfassendes, aktuelles Lieferantenhandbuch zu Sorgfaltspflichten und weiteren nachhaltigkeitsbezogenen Anforderungen.
Was wird gesetzlich gefordert?
Menschenrechtliche und ökologische Sorgfaltspflichten in der Lieferkette werden für Unternehmen aufgrund wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Veränderungen zum immer akuteren Handlungsfeld. Auch die Gesetzgebung hat sich des Themas angenommen. Unternehmen müssen Verantwortung für die Auswirkungen entlang ihrer Wertschöpfungskette übernehmen – dies verdeutlichen die auf den Weg gebrachten Regularien: in Deutschland das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) sowie auf internationaler Ebene die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die Taxonomie der Europäischen Union. Zusätzlich konzentrieren sich weitere Rahmenwerke – wie die Standards der Global Reporting Initiative (GRI) – mit neuen Anforderungen auf das lange stiefmütterlich behandelte Thema Menschenrechte.
Wo stehen die Unternehmen gerade?
Unser Austausch mit verschiedenen betrieblichen Organisationen hat gezeigt, dass bei den meisten ein ähnlicher Arbeitsstand herrscht: Sie haben ihre Wertschöpfungskette erfasst, auf Risiken überprüft und einen bunten, jedoch schwer zu überblickenden Strauß an Präventiv- und Minderungsmaßnahmen zusammengesteckt. Die Maßnahmen reichen von Richtlinien sowie internen und externen Audits über Lieferantenfragebögen und verschiedene Trainings hin zu Zertifikaten und der Verwendung von digitalen Programmen. Die meisten Unternehmen haben diese Maßnahmen nach den drei Bereichen Umwelt, Soziales und Governance geclustert und sie tendenziell in unterschiedlichen Fach- bzw. Geschäftsbereichen entwickelt. Dabei gelten nicht alle Anforderungen und Maßnahmen für die jeweiligen Bereiche und Zulieferer gleich. Denn Letztere übernehmen unterschiedlich risikoarme oder -reiche Tätigkeiten, besitzen verschiedenartige Relevanz für das Unternehmen und operieren in ungleich risikobehafteten Regionen. Dabei ergibt sich eine sehr uneinheitliche Sammlung an Inhalten. Diese muss in ein kohärentes Gesamtbild überführt werden, um zielgenau und ganzheitlich kommuniziert und umgesetzt zu werden.
Lieferantenhandbuch für das Gesamtbild
Als eigenständiges Instrument dient ein Lieferantenhandbuch der Kommunikation von Unternehmen und Akteur*innen in der Lieferkette. Zugleich schafft es Transparenz für die Fachbereiche eines Unternehmens, indem es vorbeugende und mindernde Maßnahmen bündelt. Bei der Erarbeitung mit unserem Textilkunden haben wir die einzelnen Anforderungen und Maßnahmen gesammelt sowie strukturiert und dabei immer wieder geprüft, welche Aspekte wie in das Handbuch integriert werden sollten.
Unser Ziel war es, ein verständliches Nachhaltigkeitsprogramm für das Lieferantenmanagement und damit auch ein effektives Kommunikationstool aufzubauen. Dabei haben wir die verschiedenen Risiko- und Anforderungsstufen der Zulieferer und der jeweiligen Geschäftsbereiche des Unternehmens stets berücksichtigt.
Ein Blick in den Maschinenraum
Das Ergebnis ist ein offenes Dokument, das leicht an Änderungen im Nachhaltigkeitsprogramm – die für alle Lieferanten gelten – angepasst werden kann. Die Grundidee: Jedem Zulieferer sollen die notwendigen Kompetenzen für eine zukünftige Zusammenarbeit aufgezeigt und zeitgleich vermittelt werden, auf welchem Niveau er sich aktuell befindet. Eine (potenziell) resultierende Kompetenzlücke soll mithilfe von ausgewählten Maßnahmen geschlossen werden (siehe Abb.1).
Abb. 1: Kompetenzlücken der Lieferanten identifizieren und zielgenau schließen
Zusammen mit dem Textilunternehmen wollten wir verstehen, welche Anforderungen – ob grundlegend oder erweitert – für welche Lieferanten gelten und wie die Kompetenzen nachgewiesen werden sollen. Dafür haben wir die Lieferanten innerhalb von zwei Dimensionen angeordnet: nach Einkaufsvolumen und nach Art der Fertigungsprozesse, und hierbei wiederum ob mit oder ohne Verwendung von Wasser. Je wichtiger der Zulieferer für unseren Kunden und je größer die ökologischen und Governance-Risiken aufgrund der Geschäftstätigkeiten, desto höher sind die gestellten Anforderungen. Nach Kompetenzen im sozialen Bereich wird nicht unterschieden, da alle Lieferanten hier die erweiterten Anforderungen erfüllen müssen. Das Ergebnis der Zuordnungen sind acht Lieferanten-Cluster mit spezifischen Anforderungsprofilen (siehe Abb. 2). Weitere Risiken, die sich zum Beispiel aus Produktionsstandorten ergeben, sind nicht in die Cluster eingeflossen. Stattdessen wurden daraus resultierende erhöhte Anforderungen den Lieferanten direkt mitgeteilt.
Abb. 2: Anforderungsprofile nach Lieferantenclustern
Um das Handbuch praxisnah zu gestalten, haben wir einen Beispiellieferanten geschaffen und ihm verschiedene Merkmale zugeordnet: Als mittelgroßer Betrieb mit Nassprozessen bestreitet er den Weg von einem Zulieferer mit größeren Kompetenzlücken zum Best-Practice-Lieferanten. Zu Beginn fehlen dem Lieferanten wichtige spezifische Kompetenzen, während er andere Anforderungen bereits ausreichend erfüllt. Während seiner Weiterentwicklung erwirbt er neue Kompetenzen, und wenn er gestellte Anforderungen über einen längeren Zeitraum erfüllt, verringern sich außerdem seine zeitlichen und finanziellen Aufwände. Vor allem verdeutlicht der Weg zu nachhaltigeren Prozessen des Beispiellieferanten, wie wichtig es ist, dass Unternehmen ihre Zulieferer möglichst zielgerichtet an die Hand nehmen, ihnen die Bedeutung der spezifischen Nachhaltigkeitsthemen erläutern und Möglichkeiten zur Verbesserung aufzeigen.
Regularien erfüllen – abgehakt
Mit dem Lieferantenhandbuch für Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen kann unser Textilunternehmen das Lieferantenmanagement transparenter gestalten. Das Handbuch definiert die Bedingungen für eine Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Zulieferern und schafft darüber hinaus Zugang zum Beschwerdemechanismus. Außerdem gibt es Anforderungen im Bereich Nachhaltigkeit entlang der Lieferkette weiter – ruft also einen Kaskadeneffekt hervor – und erleichtert das Monitoring. Dadurch werden bereits viele Anforderungen aus dem LkSG umgesetzt. Die aufbereiteten Inhalte können im Anschluss zudem für das Reporting über die Lieferkettensorgfaltspflichten genutzt werden. Darüber hinaus werden auch Anforderungen aus den GRI-Standards erfüllt, die sich auf die Kommunikation von Strategien und Richtlinien (GRI 2-23-f) beziehen und darauf, wie diese Verpflichtungen mit den und durch die Geschäftspartner umgesetzt werden (GRI 2-24-a-iii).
Wie wir Erfolgsfaktoren sicherstellen
Das Lieferantenhandbuch des Textilunternehmens ist ein kundenspezifisches Instrument für mehr Transparenz und bessere Kommunikation innerhalb der Wertschöpfungskette. Dennoch lässt es sich auf andere Betriebe und Organisationen übertragen, da wir bei der Erarbeitung einem umfassenden Schema folgen:
- Wir nehmen die Perspektive der Lieferanten ein: Was muss ich als Lieferant wissen, um den Anforderungen gerecht zu werden und mich weiterentwickeln zu können?
- Wir zeigen Lücken und Unstimmigkeiten im Nachhaltigkeitsprogramm auf und entwickeln dieses weiter.
- Wir strukturieren Informationen – neben den Anforderungen auch Nachweise und Zugänge sowie Zeiträume, außerdem Punkte zu Ansprechpersonen, Richtlinien und Beschwerdemechanismen.
- Wir kommunizieren zielgerecht: Eine verständliche Sprache und eine ansprechende grafische Gestaltung überwinden Hürden in der Nachhaltigkeitskommunikation.
- Wir überprüfen die Konformität mit der regulatorischen Landschaft.
Sie interessieren sich dafür, wie wir mit Ihnen ein Lieferantenhandbuch erarbeiten würden oder benötigen einen prüfenden Blick für die Erfüllung gesetzlicher Anforderungen? Kontaktieren Sie uns, wir freuen uns über Ihre Nachricht.