Wie bereiten sich die DAX40-Unternehmen auf die neuen Reportinganforderungen vor, die ab dem Berichtsjahr 2024 mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) auf sie zukommen? Um diese Frage zu beantworten, haben wir die Nachhaltigkeitsberichterstattung der DAX40-Unternehmen für das Geschäftsjahr 2022 analysiert. Die Ergebnisse stellen wir in einer zweiteiligen Artikelserie vor. Im zweiten Teil untersuchen wir, wie gut die DAX40 auf inhaltliche CSRD-Anforderungen insbesondere in den Bereichen Klimaschutz, Biodiversität, Kreislaufwirtschaft, Vergütung und Lieferketten-Sorgfaltspflichten vorbereitet sind. Den ersten Teil, in dem wir Berichtsgrundlagen wie Wesentlichkeit, Prüfung und Risk Management analysiert haben, finden Sie hier.
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick
Klimaschutz: 95 % der DAX40-Unternehmen berichteten 2022 über eine Strategie zur messbaren Reduktion der Scope-1- und 2-Emissionen; 62,5 % berichteten über einen Scope-3-Reduktionspfad.
Biodiversität: 20 % der DAX40-Unternehmen beschrieben 2022 eine ausführliche Biodiversitätsstrategie.
Kreislaufwirtschaft: 42,5 % der DAX40-Unternehmen berichteten 2022 über eine ausführliche Kreislaufwirtschaftsstrategie.
Vergütung: 15 % der DAX40-Unternehmen legten 2022 den „Gender Pay Gap“ offen.
Lieferketten-Sorgfaltspflicht: 32,5 % der DAX40-Unternehmen berichteten 2022 über durchgeführte Risikoanalysen, um menschenrechtliche bzw. umweltbezogene Themen entlang der Lieferkette zu ermitteln.
Unser Analyse-Ansatz
Im Mai 2023 haben wir die nichtfinanziellen Erklärungen und Nachhaltigkeitsberichte der DAX40-Unternehmen für das Geschäftsjahr 2022 untersucht (Stichtag: 31.5.2023). Bei der Analyse betrachteten wir – wie schon bei unserer ersten CSRD-Readiness Analyse aus dem Jahr 2022 – die Themen Berichtsstruktur, Prüfungsmodalitäten, Ökologie, Soziales, Governance und Standards. Zusätzlich haben wir in diesem Jahr neue Kriterien zu den Themen Wesentlichkeit, Stakeholder-Engagement und Lieferkette aufgenommen, da die Relevanz dieser Themen im Zuge der CSRD – und anderen aktuellen Regulierungen wie dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) – erheblich zunehmen wird.
CSRD – ein Überblick
Fast 50.000 Unternehmen werden künftig EU-weit über Nachhaltigkeitsaspekte berichten müssen – auch kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen, die bisher keiner nichtfinanziellen Berichtspflicht unterlagen. Als erste betroffen sind große Unternehmen, die bereits heute der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) bzw. dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) unterliegen: Sie müssen ab dem Berichtsjahr 2024 die neuen Vorgaben anwenden. Kapitalmarktorientierte KMU müssen ab dem Berichtsjahr 2026 – mit Aufschubmöglichkeit bis 2028 – erstmals CSRD-konform berichten.
Klimaindikatoren: verpflichtend oder nicht?
Der Klimastandard „ESRS E1“ fordert von berichtenden Unternehmen die Aufstellung der Treibhausgasemissionen (THG) nach Scope 1, 2 und 3, die Offenlegung von THG-Reduktionszielen und -maßnahmen sowie die Berichterstattung zu transitorischen und physischen Chancen und Risiken des Klimawandels. Dabei orientiert er sich eng an den Empfehlungen der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD). Unternehmen, die schon heute gemäß den Vorgaben der TCFD berichten, werden daher künftig bei der Erfüllung der CSRD-Vorgaben einen Vorsprung haben.
Gemäß dem am 31. Juli 2023 veröffentlichten Delegierten Rechtsakt der ESRS sind Klimaindikatoren nur noch verpflichtend offenzulegen, sofern das Unternehmen das Thema Klimaschutz als wesentlich betrachtet. Allerdings müssen Unternehmen, die den Klimaschutz als nicht-wesentlich bewerten, die Ergebnisse ihrer Wesentlichkeitsanalyse detailliert beschreiben. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass es Unternehmen zu einfach gemacht wird, das zentrale Thema Klimawandel zu ignorieren. Dabei ist davon auszugehen, dass große Unternehmen wie die DAX40 auch künftig gegenüber ihren Stakeholdern und Wirtschaftsprüfung wohl kaum gute Argumente dafür finden können, den Klimawandel als nicht wesentlich zu betrachten. Daher kann man für sie künftig wahrscheinlich von einer De-Facto-Berichtspflicht ausgehen.
DAX40: Klimarisiken werden noch lückenhaft berichtet
Die Anzahl der DAX40-Unternehmen, die über eine Strategie mit konkreten messbaren Zielen für die Reduktion von Treibhausgas-Emissionen (Scope-1 + -2) berichten, ist im Berichtsjahr angestiegen: von 32 Unternehmen 2021 auf 38 DAX-Unternehmen 2022. 25 DAX-Unternehmen berichteten zusätzlich über eine Scope-3-Strategie – ebenfalls ein leichter Anstieg gegenüber dem Vorjahr (2021: 21 Unternehmen). Die Anzahl der DAX-Unternehmen, die über eine 1,5-Grad-Ziel kompatible Klimastrategie berichten, ist mit 34 gegenüber dem Berichtsjahr 2021 (33) hingegen fast unverändert geblieben.
Insgesamt 33 DAX40-Unternehmen berichteten 2022 bereits gemäß den Vorgaben der TCFD. Eine der Kernanforderungen der TCFD ist die Offenlegung von klimabedingten Chancen und Risiken. Hier war in unserer Analyse eine interessante Diskrepanz erkennbar: Denn obwohl 33 Unternehmen über eine TCFD-Berichterstattung verfügen, legten lediglich 25 DAX-Unternehmen auch klimabedingte physische und transitorische Risiken und Chancen offen. Dies zeugt von einer teilweise unvollständigen TCFD-Berichterstattung.
Allerdings gilt zu beachten: Die lückenhafte Berichterstattung bedeutet nicht zwangsläufig, dass Unternehmen noch nicht über entsprechende interne Risikoprozesse verfügen. Aktuelle physische Klimarisiken wurden unserer Erfahrung nach bei vielen großen Unternehmen bereits in Risikomanagement- und Sicherheitsprozesse integriert. Auch wenn die Unternehmen EU-Taxonomie-konforme Umsätze offenlegen, muss eine detaillierte physische Klimarisikoanalyse stattgefunden haben. Die mangelnde Berichterstattung hat allerdings zur Folge, dass der Kapitalmarkt klimabezogene Chancen und Risiken nicht in seine Anlageentscheidungen mit einbeziehen kann und daher vulnerabel gegenüber Klimarisiken bleibt.
Im Mai 2023 haben wir in einem gemeinsamen Webinar mit der MunichRe die aktuellen Anforderungen und Lösungsansätze für eine umfassende Klimarisiko-Analyse detailliert beleuchtet. Eine Aufzeichnung des Webinars kann hier angefordert werden.
Biodiversität: bisher kaum im Fokus der DAX40
Die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 ist ein zentraler Bestandteil des EU Green Deals. Sie beinhaltet Maßnahmen zur Bewältigung der weltweiten Herausforderung in Bezug auf Biodiversität mit dem Ziel, Ökosysteme bis 2050 wiederherzustellen, widerstandsfähiger zu machen und angemessen zu schützen.
Der zunehmende politische Fokus auf das Thema spiegelt sich auch in den ESRS-Entwürfen wider: ESRS E4 enthält Berichtsanforderungen zu Biodiversität und Ökosystemen, unter anderem zu Landnutzung und Landnutzungsänderung. Ein weiteres wichtiges Rahmenwerk ist die Taskforce on Nature-related Financial Disclosure (TNFD), auf das sich der ESRS E4 Standard bereits bezieht. Das zunächst freiwillige Rahmenwerk wird im September 2023 die finale Version der Offenlegungsanforderungen veröffentlichen. Sowohl die TNFD als auch der ESRS E4 nehmen auf die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 Bezug.
In der Nachhaltigkeitsberichterstattung der DAX40-Unternehmen für das Jahr 2022 ist die steigende Relevanz des Themas Biodiversität bisher allerdings nur in Ansätzen erkennbar: Lediglich acht DAX-Unternehmen verfügen bereits über eine konkrete Biodiversitätsstrategie – immerhin fünf mehr als noch 2021. 32 DAX-Unternehmen (2021:33) machten dazu keine detaillierten Angaben.
Kreislaufwirtschaft: leichter Anstieg der Berichterstattung
Ebenfalls Teil des EU Green Deals ist seit 2020 der „Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft“. Er enthält Vorschläge für eine nachhaltigere Produktgestaltung und zielt darauf ab, das Abfallaufkommen zu verringern und den Verbraucherschutz zu stärken. In den ESRS wird das Thema Kreislaufwirtschaft im Standard ESRS E5 behandelt: Er enthält Berichtsanforderungen zu Ressourcennutzung und Circular Economy, insbesondere zu Materialien und deren zirkulären Verwendung, Produkten des Unternehmens und zirkulären Verwendungsmöglichkeiten sowie Abfällen.
Im Vergleich zum Thema Biodiversität sind die DAX40-Unternehmen beim Thema Kreislaufwirtschaft bereits etwas weiter: Im Berichtsjahr 2022 berichteten bereits 17 DAX-Unternehmen über eine ausführliche Kreislaufwirtschafts-Strategie – drei mehr als im Vorjahr.
Vergütungsthemen: weiterhin wenig Transparenz
Die Berichterstattung zur Vergütungsstrukturen ist in Deutschland gesetzlich durch das Entgelttransparenzgesetz geregelt. Es verlangt von Unternehmen, die mehr als 500 Beschäftigte haben und laut Handelsgesetzbuch zur Erstellung von Lageberichten verpflichtet sind, einen Bericht zum Stand der Entgeltgleichheit im Unternehmen zu veröffentlichen.
Der Standard ESRS S1 sieht ebenfalls eine Offenlegung zur Vergütung vor, die an manchen Punkten über die gesetzlichen Anforderungen in Deutschland hinausgeht: Dazu gehört die Berichterstattung zum „Gender Pay Gap“, der den Unterschied der Vergütung der Geschlechtergruppen transparent macht. In Frankreich und Großbritannien besteht bereits heute die Pflicht zur Offenlegung des Gender Pay Gaps. Die DAX-Unternehmen zögern weiterhin bei dieser bislang noch freiwilligen Angabe: Sechs DAX-Unternehmen (Vorjahr 5) legen diese soziale Kennzahl bereits jetzt offen.
Auch bei der freiwilligen Offenlegung der sogenannten „CEO-Ratio“ bleiben die DAX-Unternehmen zurückhaltend: Diese Kennzahl beschreibt das Verhältnis zwischen dem Vorstandsgehalt und dem Durchschnittsgehalt. Lediglich fünf DAX-Unternehmen berichten die CEO-Ratio; immerhin ist hier ein Anstieg im Vergleich zu 2021 zu erkennen – damals berichtete kein Unternehmen zu diesem Indikator.
Lieferkette: Abgleich zwischen LkSG und ESRS schafft Synergien
Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist zum 1.1.2023 in Kraft getreten. Es soll dazu beitragen, Menschenrechtsverletzungen und Umweltrisiken im eigenen Geschäftsbereich und entlang der Lieferkette zu erkennen, zu vermeiden und zu beheben. Die Berichtspflichten im Zuge des LkSG sind umfangreich und erfordern teilweise eine aufwändigere Offenlegung als die CSRD. In den ESRS sind die Offenlegungs-Anforderungen zu diesem Thema übergeordnet im Standard ESRS 2 und detailliert in ESRS S1-4 (Sozialstandards) zu finden.
Im Berichtsjahr 2022 berichteten 13 DAX40-Unternehmen über systematisch durchgeführte Risikoanalysen, um menschenrechtliche beziehungsweise umweltbezogene Themen entlang der Lieferkette zu ermitteln. Die Risikoanalyse stellt das Kernelement der lieferkettenbezogenen Sorgfaltspflichten dar. Besonders bezogen auf Präventions- und Abhilfemaßnahmen, die aus der Risikoanalyse resultieren, gibt es Nachholbedarf: 30 Unternehmen machen hierzu noch keine Angaben.
Ähnlich wie bei der Berichterstattung zu Klimarisiko-Analysen gilt jedoch auch beim Thema Lieferkettensorgfaltspflichten: Eine bisher niedrige Transparenz bedeutet nicht, dass die DAX-Unternehmen intern keine entsprechenden Prozesse aufgebaut haben. Hier steht sich die Regulatorik teilweise selbst im Weg und verhindert mehr Transparenz: Es ist zum Beispiel denkbar, dass sich Unternehmen noch bewusst gegen eine Berichterstattung in diesem sensiblen Themenfeld entscheiden – denn durch die Nennung von bekannten Risiken machen sich die Unternehmen nach LkSG (im Sinne der substantiierten Kenntnis) angreifbar. Ab dem Berichtsjahr 2023 wird die Offenlegung jedoch nach §10 des LkSG verpflichtend sein. Unternehmen müssen die relevanten Informationen über das Online-Tool des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) berichten.
Aktuell erarbeiten wir einen aktualisierten Abgleich der Berichtsanforderungen des LkSG und der ESRS und untersuchen, wie Unternehmen durch eine integrierte Herangehensweise Synergien schaffen können.
Fazit und Ausblick
Bei der Klimaschutzberichterstattung sind die meisten untersuchten DAX40-Unternehmen bereits heute gut aufgestellt – auch wenn beim Thema Risikoanalyse noch Lücken bestehen. Die Mehrheit der DAX-Unternehmen berichtet bisher noch nicht mit gleicher Ambition und Detailtiefe über ausführliche Strategien zu den Themen Kreislaufwirtschaft und Biodiversität. Die Anfang Juni eingeführten umfassenden Wesentlichkeitsvorbehalte bei den ESRS können dazu führen, dass in den Unternehmen bei der Einführung und Umsetzung von entsprechenden Strategien etwas Tempo herausgenommen wird.
Beim Thema Vergütung bleiben die DAX-Unternehmen bislang ebenfalls hinter den künftigen (freiwillig zu erfüllenden) Anforderungen der CSRD zurück. In Bezug auf die Sorgfaltspflicht in den Lieferketten ist hingegen zu erwarten, dass die Offenlegung ab dem Berichtsjahr 2023 im Zuge der LkSG-Anforderungen stark zunehmen wird.
Falls Sie weitere Einblicke in die Ergebnisse, zum Beispiel für Ihr Unternehmen erhalten wollen, teilen wir gerne Einblicke in die Daten hinter unserer jährlichen CSRD-Readiness-Analyse. Senden Sie uns bei Interesse einfach eine Mail an info@stakeholder-reporting.com.