Im Kampf gegen die globale Erwärmung war eines der wichtigsten Ergebnisse der COP28 in Dubai folgende Erkenntnis: Biodiversität ist untrennbar und strategisch mit dem Klimawandel verbunden. Die Diskussionen auf der COP28 unterstützten das auf der COP15 in Kunming und Montreal verabschiedete Globale Rahmenwerk zum Schutz der biologischen Vielfalt (Global Biodiversity Framework, GBF). Das GBF gibt einen ehrgeizigen Weg vor, um die globale Vision einer Welt zu erreichen, die bis 2050 im Einklang mit der Natur steht und bis 2030 deutliche Anzeichen für eine Erholung von Natur und Ökosystemen zeigt. Was versteht man also unter Biodiversität? Und welche Auswirkungen hat dieses Verständnis auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung?
„No net zero without nature”
Wenn es um die kurz- und langfristigen Ziele des Pariser Abkommens und die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C bis 2030 geht, besteht ein breiter Konsens darüber, dass es nicht ausreicht, nur das Klima zu berücksichtigen. Der Verlust der biologischen Vielfalt und die Bodendegradation müssen ebenfalls angegangen werden. Am „Tag der Natur, Landnutzung und Ozeane“ der COP28 haben 18 Länder das Joint Statement on Climate, Nature and People (Gemeinsame Erklärung zum Schutz von Klima, Natur und Mensch) befürwortet und sie damit in den Mittelpunkt der Klimapolitik gestellt. Die gemeinsame Erklärung zielt darauf ab, das Bewusstsein für Fragen der biologischen Vielfalt zu schärfen und die notwendigen Synergien zwischen dem Pariser Abkommen und Biodiversitätsstrategien zu schaffen.
Der Begriff Biodiversität setzt eine weit gefasste Definition von Natur voraus. Ein erfolgreicher strategischer Angang des Themas zielt darauf ab, den Verlust von Natur in Bezug auf Tier- und Pflanzenarten sowie beispielsweise die Auswirkungen von Treibhausgasemissionen, Wassernutzung, Abfallbehandlung und Bodendegradation zu ermitteln.
Auswirkungen auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung
Da sich Unternehmen bisher verstärkt auf Klimastrategien konzentrieren, erhielt das Thema Biodiversität in der Vergangenheit weniger Aufmerksamkeit. Die Einführung der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) und die Entwicklung der dazugehörigen Standards (European Sustainability Reporting Standards, ESRS) verdeutlichen jedoch die Notwendigkeit, als wesentlich identifizierte biodiversitätsrelevante Themen zu verstehen und darüber zu berichten. Angesichts der aktuellen Entwicklungen, die den Zusammenhang zwischen Biodiversität und Klimawandel stärker herausstellen, sollten Unternehmen das Thema Biodiversität nun weiter oben auf der Unternehmensagenda platzieren.
Neben der Fokussierung auf Klimastrategien gibt es einen weiteren Grund dafür, dass Biodiversität in Unternehmen bislang wenig Beachtung fand. So fehlte dort ausreichend Kenntnis darüber, wie Fragen der Biodiversität in die Risiko- und Chancenbetrachtung einzubinden sind. Dies ändert sich nun mit dem ESRS E4-Standard: Dieser konzentriert sich speziell auf die biologische Vielfalt und Ökosysteme und soll das Verständnis der Unternehmen für die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf die Natur und Umwelt stärken. Der Ansatz soll dazu beitragen, Geschäftsmodelle und -abläufe mit dem Schutz sowie der Wiederherstellung biologischer Vielfalt in Einklang zu bringen.
Als wichtigen Teil der Nachhaltigkeitsberichterstattung müssen Unternehmen Kennzahlen, Ziele und Aktionspläne zu Biodiversität offenlegen. Sie sind außerdem verpflichtet, darüber zu berichten, wie sie mit den festgelegten Zielen zur Wiederherstellung der weltweiten Ökosysteme beitragen. Der ESRS-Standard E4 enthält spezifische Offenlegungsanforderungen zu Auswirkungen und Wechselwirkungen in Bezug auf Land-, Süßwasser- und Meereslebensräume, Ökosysteme und Populationen dort beheimateter Tier- und Pflanzenarten. Dies umfasst die Vielfalt innerhalb der Arten, zwischen den Arten und von Ökosystemen sowie ihre Wechselbeziehung mit indigenen und betroffenen Gemeinschaften. Wenn Unternehmen diese Themen als wesentlich einstufen, müssen sie diesbezüglich über alle Auswirkungen, Risiken und Chancen (IROs) berichten – einschließlich der Auswirkungen auf die Strategie und die Geschäftsmodelle sowie der kurz-, mittel- und langfristigen finanziellen Auswirkungen.
Bewertung der wesentlichen Auswirkungen, Abhängigkeiten, Risiken und Chancen
Mit Einführung der CSRD und der Entwicklung der ESRS haben Unternehmen das Thema Biodiversität nun auf dem Schirm. Beides ist ein starker Anstoß für sie, den Umfang der Klimaangaben durch einen strukturierteren Ansatz für Biodiversität zu erweitern. Ein erster Schritt besteht darin, einen klaren Überblick über die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf die Natur und Umwelt zu gewinnen.
Ebenso wichtig ist es, die mit der Biodiversität verbundenen Abhängigkeiten des Unternehmens zu analysieren und diese in den Rahmen des Risikomanagements zu integrieren. Wie wirken sich zum Beispiel Abholzung, Verschmutzung oder der Verlust von Pflanzen- und Tierarten auf die Geschäftstätigkeit aus? Inwiefern wird die Verknappung von Rohstoffen aufgrund des Verlusts biologischer Vielfalt die Lieferkette beeinflussen? Die Analyse von Faktoren, die sich potenziell auf die künftige Rentabilität des Unternehmens auswirken, kann als Grundlage für die langfristige strategische Planung dienen. Gleichzeitig kann die Integration eines aktiven Biodiversitätsmanagements in die Kerngeschäftsstrategien Unternehmen helfen, ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken und ihre Rentabilität zu verbessern.
Indem sie die Auswirkungen bewerten, können Unternehmen erkennen, welche Biodiversitätsthemen für ihre Berichterstattung wesentlich sind. Dadurch versetzen sie sich in die Lage, relevante Leistungsindikatoren (Key Performance Indicators, KPIs) zu definieren. Diese helfen ihnen wiederum dabei, Fortschritte zu verfolgen und eine Strategie zur Maßnahmenentwicklung zu erarbeiten, damit Ziele erreicht werden. Biodiversitätsaspekte zu messen, ist und bleibt jedoch ein komplexes Unterfangen. Trotzdem können Unternehmen hier auf die wachsende Zahl von Anbietern externer Ratings und Rankings für Nachhaltigkeit und Biodiversität zurückgreifen, um die erzielten Fortschritte zu bewerten und zusätzliches Vertrauen in Unternehmensstrategien zu schaffen.
Nächste Schritte vorbereiten
Was kann Unternehmen die Angst vor den Berichtspflichten nehmen? Zunächst sollten Unternehmen sich ausreichend Zeit zugestehen, um zu durchdringen, was Biodiversität ist und welche Anforderungen in der Berichtserstattung in Bezug auf biologische Vielfalt gelten. Ein besseres Verständnis schafft die dringend benötigte Klarheit darüber, welche Biodiversitätsfaktoren für das Unternehmen wesentlich sind. Es trägt außerdem dazu bei, den Fokus auf die relevanten Angaben und Berichtsanforderungen zu legen. Für schnelle Teilerfolge können zudem umfassendere, bereits vorhandene nachhaltigkeitsbezogene Leistungskennzahlen als etabliertes Grundgerüst für die Entwicklung spezifischerer Biodiversitäts-KPIs genutzt werden – sodass diese dann in die Unternehmensstrategien einfließen können. Darüber hinaus bieten Instrumente oder Rahmenwerke wie die der Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) und dem Science Based Targets Network (SBTN) Unternehmen potenziell zusätzliche Anhaltspunkte für die Einhaltung ihrer Berichtspflichten.
Darüber hinaus kann es sich für Unternehmen lohnen, genug Zeit zu investieren, um Auswirkungen und Abhängigkeiten gründlich auszuarbeiten und sich den bestmöglichen Überblick zu verschaffen. Ein Beispiel: Die Gewinnung von Rohstoffen oder die intensive Landwirtschaft kann Boden und Natur schaden. Gleichzeitig kann die durch die Industrie verursachte Verschlechterung des Bodens die Rentabilität der von diesem Boden abhängigen Unternehmen verringern. Dies frühzeitig zu erkennen, kann maßgeblich für den künftigen Geschäftserfolg sein.
Fazit: Biodiversität kann nicht früh genug priorisiert werden
Unternehmen spielen eine entscheidende Rolle beim Klimaschutz. Mit Einführung der CSRD gilt für sie: Ein ganzheitlicherer Ansatz für Klimastrategien, der anerkennt, dass Biodiversität untrennbar mit dem Klimawandel verbunden ist, hat jetzt eine regulatorische, wirtschaftliche und soziale Priorität. Entschlossenes Handeln und die Entwicklung relevanter Biodiversitätsstrategien können Unternehmen heute helfen, erfolgreich zu sein und zu einer nachhaltigeren Weltwirtschaft beizutragen.